Dass Kroatien über einige beachtliche landschaftliche Schönheiten verfügt, ist nicht neu. Und nicht nur das: Kroatien hat sogar viele davon, einige ziemlich spektakuläre (Plitvicer Seen, Krka-Wasserfälle, Kornaten), und ist ein Paradies für Segler und Taucher.
Immer mehr Menschen „entdecken“ das eher kleine Land an der Adria. Erst neulich war zu lesen, dass auch Brad Pitt die Adriaküste besuchte und immerhin zu Protokoll gab, Kroatien sei „das schönste Land, das er je gesehen habe“.
Seit 1995 war ich sehr oft an der kroatischen Adria von Istrien bis hinunter nach Cavtat kurz vor Montenegro. Es fällt mir sehr schwer zu sagen, welcher Punkt der schönste oder atemberaubendste oder verrückteste oder bezauberndste gewesen sein mag. Meine persönlichen Lieblingsinseln sind (Hvar und Lošinj hin oder her) letztlich die beiden norddalmatinischen Inseln Dugi otok und Ugljan.
Das Besondere an diesen Inseln ist gerade eben, dass sie nicht „perfekte“ landschaftliche „Schönheiten“ zeigen, denen oft genug von Menschenhand nachgeholfen worden war. Sie zeigen eine mediterrane Landschaft, die so auch vor 1000 oder 2000 Jahren hätte sein können: Oliven und Zypressen, Kiefern, dazwischen viel Wildwuchs. Keine totale Ordnung. Stattdessen viel Natur, echte Natur, scheinbar wild wuchernd, keine schnurgeraden gemauerten Felder mit ebenso schnurgeraden Lavendelanpflanzungen, die dann auf einem Kalenderfoto enden.
Die schönste Ecke, die auf einem leicht abgestuften Plateau liegt, ist auf der Insel Ugljan versteckt. Die etwas mehr als 20 km lange Insel erstreckt sich – wie fast alles an der Küste dort – von Nordwesten nach Südosten. Die westliche Seite der Insel ist eine Kette von Hügeln, die ineinander übergehen und dabei wie ein „Drachenrücken“ aussehen. Zum Norden hin nach Muline und zum Südende hin hinter Kukljica senken sich die Hügelketten ab, um ins Meer abzutauchen. Nach Westen und zur Nachbarinsel Iž hin fällt die Hügelkette relativ steil zum Meer ab. Parallel zur Hügelkette verläuft eine Hochebene, die man von unten, vom Meer aus nicht sehen kann. Zur Ostseite hin folgt auf die Hochebene eine Geländestufe nach unten; ein leicht hügeliges Ostufer zur Festlandsseite hin wird von den Ortschaften der Insel gesäumt.
Die erwähnte Hochebene ist eigentlich nur Wanderern und Besuchern der venezianischen Festung Sveti Mihovil bekannt. Vom späten Frühjahr bis weit in den Sommer ist diese Ebene ein mediterraner Paradiesgarten: durchzogen von unzähligen Steinmauern und steinigen Feldwegen, versteckten Feldchen, halb zugewachsenen Pfaden zwischen Olivenbäumen, begleitet von Zypressen, chaotisch und frei wucherndem Gesträuch und zahllosen duftenden Kräutern. Wer etwas Vergleichbares wie in der Toskana oder in der Provence erwartet, wird enttäuscht sein; hier auf Ugljan ist vielmehr ein kreatives Chaos von Kultur und urwüchsiger Natur. Am nächsten verwandt sind Landschaften im Ardèche und in Westgriechenland, insbesondere auf Ithaki, Kephallenia, Meganisi, Kalamos und an den west- und nordwestgriechischen Festlandsküsten.
Ab und zu tauchen im Gestrüpp alte Feldhäuschen aus Stein auf. Archaische Wasserstellen überraschen die Wanderer. Und von der Bergfestung Sv. Mihovil bietet sich einer der schönsten Ausblicke, die ich kenne: nach Süden hin über Pašman bis nach Žirje, nach Südwesten und Westen zu den Kornaten, hinüber nach Iž und draußen am Horizont schier endlos lange Dugi otok. Nach Nordwesten hin über die Inseln Sestrunj, Molat und Ist bis zum klar erkennbaren Berggipfel Televrina auf der Insel Lošinj.
Und zur Festlandsseite blickt man auf das mächtige Velebitgebirge und Zadar.